Schulische Gesundheitsförderung

von Peter Paulus

Schulische Gesundheitsförderung will alle Mitglieder einer Schulgemeinschaft dazu befähigen, verantwortungsbewusst mit ihrer eigenen Gesundheit und der ihrer Mitmenschen umgehen zu können. Um dieses Ziel zu erreichen, bietet sie sowohl personenbezogene als auch verhältnisbezogene Unterstützung an. Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und das nicht-unterrichtende Personal werden in die Förderung eingebunden und zur Mitwirkung motiviert (> Empowerment, > Partizipation). Schulische Gesundheitsförderung geht damit weit über die Ansprüche schulischer Gesundheitserziehung hinaus, die traditionell eher an der präventiven Einflussnahme auf gesundheitliche Risikoverhaltensweisen insbesondere im Bereich der Ernährung und Bewegung von Schülerinnen und Schülern orientiert ist.

Vier Handlungsfelder bilden den Rahmen für solch ein Konzept, es wird als  „Gesundheitsfördernden Schule“ bezeichnet (s. Abb. 1). Eine Schule, die dieses Konzept verwirklicht, hat es sich zur Aufgabe gemacht, durch ihr Engagement in diesen Handlungsfeldern einen Schulentwicklungsprozess einzuleiten und die auf den Lern- und Arbeitsplatz bzw. Lebensraum Schule bezogene Gesundheit der Schülerinnen und Schüler, der Lehrerinnen und Lehrer sowie des nicht unterrichtenden Personals zu erhalten bzw. zu verbessern. Gesundheit wird hier zu einem Aspekt der Schulprofilierung.

Lehren und Lernen Gesundheit als Thema des Lehrens und Lernens sowie gesundheitsförderliche Didaktik und Methodik des Lehrens und Lernens insgesamt
Schulleben und schulische Umwelt Gesundheit als Prinzip der Schulkultur sowie als Prinzip baulicher Maßnahmen und der Schulgestaltung
Kooperationen und Dienste Einbezug außerschulischer Partner und psychosozialer bzw. medizinischer Dienste zur Stärkung schulischer Gesundheitsförderung
Schulisches Gesundheitsmanagement Entwicklung sowie Anwendung von Prinzipien und Strategien schulbetrieblicher Gesundheitsförderung

Abb. 1 Vier Handlungsfelder schulischer Gesundheitsförderung

Im Unterschied hierzu richten sich die problembasierten Ansätze („Gesundheitsförderung in der Schule“) vielfach nur an Schülerinnen und Schüler, die vornehmlich im Unterricht gesundheitsförderliche Fertigkeiten und Kompetenzen erwerben sollen („Life Skills Approach“, > Lebenskompetenzen). Sie sollen befähigt werden, im Alltag mit gesundheitsgefährdenden Anforderungen angemessen umgehen und Möglichkeiten der Gesunderhaltung und Gesundheitsförderung aktiv aufgreifen zu können. In Weiterentwicklung der traditionellen Gesundheitserziehung betonen diese Ansätze, die einer modernen Gesundheitsbildung zugeordnet werden können, mehr die salutogenen Faktoren (z.B. Kohärenz, Resilienz, positive Jugendentwicklung), Kompetenzaspekte (z.B. Selbstwirksamkeitserwartungen, Stress-Bewältigungsstile) sowie die aktuellen Lebenswelt- und Entwicklungsanforderungen der Kinder und Jugendlichen (z.B. Identitätsbildung in Zeiten der Postmoderne).

Die „Gesundheitsfördernde Schule“ ist innerhalb der schulischen Gesundheitsförderung in den 1990er Jahren zum  führenden Konzept in Europa geworden. In über  40 nationalen Netzwerken haben sich in den letzten beiden Jahrzehnten Schulnetzwerke gebildet, die ihre Erfahrungen auf nationaler und internationaler Ebene im europäischen Netzwerk „Schools for Health in Europe“ (SHE) austauschen.  Deutschland ist seit 1992 Mitglied in diesem Netzwerk.

Übereinstimmend belegt die internationale Forschung die Wirksamkeit schulischer Gesundheitsförderung in dem Setting-Ansatz der „Gesundheitsfördernden Schule“, insbesondere im Bereich der psychischen Gesundheit. Allerdings hat sich dieser gesundheitsorientierte Ansatz in der Praxis des schulischen Alltags nicht durchsetzen können. Angesichts der gesundheitlichen Situation von Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrkräfte ist die Umsetzung, die auf der Ebene von Nennungen in Schulprogrammen mit ca. 14 % angesetzt werden kann, als viel zu gering einzuschätzen. Mit dem Konzept der „guten gesunden Schule“ ist deshalb auch in den letzten 10 Jahren ein  neuer Zugang für die schulische Gesundheitsförderung entstanden. Eine gute gesunde Schule ist eine Schule, die durch Gesundheitsinterventionen ihre Bildungsqualität insgesamt verbessert und gleichzeitig auch die spezifischen Gesundheitsbildungsziele, die zum Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule gehören, verwirklicht. Sie bringt damit die Themen Bildung und Gesundheit auf neuartige Weise zusammen, in dem sie konsequent Gesundheit in den Dienst des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule stellt. Sie bindet damit Gesundheitsinterventionen sehr eng an das "Kerngeschäft" von Schule. Gesundheit ist in diesem Konzept ein Faktor, der katalytisch wirkt und durch die  Verknüpfung mit der Schulentwicklung die Bildungsqualität der Schule befördert (> Organisationsentwicklung). Die zentrale Perspektive ist jetzt: Bildungsförderung durch Gesundheit. Handlungsfelder der schulischen Gesundheitsförderung werden jetzt durch die Qualitätsdimensionen der Schulen aufgespannt, wie sie die Qualitätskonzepte der Bundesländer für ihre Schulen vorsehen (Abb. 2). Es handelt sich dabei um die folgenden Handlungsfelder:

Nr. Handlungsfeld / Qualitätsdimension Beispielindikator für die gute gesunde Schule
1 Rahmenbedingungen Die Schule verfügt über ein funktionierendes Sicherheitskonzept (Gesundheits- und Arbeitsschutz, Brandschutz, Evakuierungsplan, Ausstattung).
2 Schulkultur Es findet eine Rhythmisierung des Schulalltags nach gesundheitswissenschaftlichen Erkenntnissen statt (Stunden-/ Pausenplan).
3 Schulführung und Management Bei persönlichen Problemen der Lehrkräfte achtet die Schulleitung auf berufsbedingte physische und psychische Belastungen und trifft Maßnahmen zu ihrem Abbau.
4 Kooperationen und Außenbeziehungen Eltern haben die Möglichkeit, am Schulleben und der Schulentwicklung teilzuhaben und in Gesundheitsteams mitzuarbeiten.
5 Professionalität der Lehrkräfte Mit den Beschäftigten werden Bewältigungsstrategien zur Förderung eines konstruktiven Umgangs mit beruflichen Belastungen entwickelt.
6 Lehren und Lernen Es findet Unterricht statt, der auch Gesundheitsaspekte mit berücksichtigt (der z.B. Bewegung ermöglicht; die Selbstwirksamkeit der Schüler steigert, ihr Selbstwertgefühl erhöht).
7 Ergebnisse und Erfolge Die Schülerinnen und Schüler haben gelernt, mit der eigenen Gesundheit und der Gesundheit anderer verantwortungsbewusst um zu gehen.
8 Qualitätsmanagement Es gibt regelmäßige Evaluationen der Bildungs- und Gesundheitsqualität der Schule.

Abb. 2: Handlungsfelder / Qualitätsdimensionen guter gesunder Schulen

Durch eine verbesserte Bildungsqualität wird wiederum die Gesundheit aller an Schule Beteiligten gefördert. Die gute gesunde Schule bearbeitet damit zwei zentrale aktuelle gesellschaftliche Problemfelder: die Bildungsdefizite vieler Kinder und Jugendlicher sowie die zunehmenden gesundheitlichen Probleme im Kindes- und Jugendalter. Da beide wiederum mit dem sozialen Status und möglichen Migrationshintergründen der Schülerinnen und Schüler kovariieren, erfordert dieser Ansatz bei der Umsetzung eine umfassende Strategie. Denn auf allen Ebenen der Programmdurchführung sind nun neben  "Gesundheit" und "Bildung" auch noch relvante Lebenskonstellationen mit zu berücksichtigen. Traditionelle Zugänge zum Thema Gesundheit und Bildung, "Versäulungen" und getrennte Zuständigkeiten und Mentalitäten mit den sie begründenden unterschiedlichen Begrifflichkeiten und Sprachformen, wirken hier immer noch als Hindernisse, die es zu überwinden gilt. Der Ansatz der guten gesunden Schule kommt da einem Paradigmenwechsel in der schulischen Gesundheitsförderung gleich. Mit ihm wird auch erreicht, dass nicht mehr nur die an Gesundheit interessierten Personen in der Schule angesprochen werden, sondern die gesamte Schulgemeinschaft, denn es geht jetzt um die gute Schule, die durch Gesundheitsinterventionen gefördert werden soll. Zentral bedeutsame Gelingensfaktoren lassen sich wie folgt beschreiben (s. Abb.3):

  Gelingensfaktoren Erläuterung
1 Akzeptanz Gesundheitsförderung konsequent am Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule orientieren; mit Gesundheits-themen die Qualität in den Qualitätsdimensionen und –bereichen verbessern; gesundheitsförderliches Potenzial päd-agogischer Maßnahmen und Themen nutzen und unterstützen
2 Schulentwicklung Gesundheitsförderung gezielt mit Personal-, Organisations- Unterrichts- und Ausstattungsentwicklung verbinden
3 Visionen und Ziele Bildung und Gesundheit im Leitbild als Handlungshorizont der schulischen Akteure verankern
4 Schulklima Kultur der Anerkennung und Kooperation schaffen: Zusammengehörigkeitsgefühl, gegenseitiges Vertrauen, gemeinsame Werte, Gerechtigkeit und Konfliktkultur entwickeln
5 Schulleitung Sensibilisierung und Qualifizierung der Schulleitung für das Gesundheitsmanagement: Gesundheit(sprobleme) in der Schule managen und Prozesse gesund managen
6 Baulich-räumliche Gestaltung Schule als Lern- und Lebensraum gestalten; Raum als „dritter Pädagoge“

Internet

www.schoolsforhealth.eu: Europäisches Netzwerk der Nationalen Netzwerke Gesundheitsfördernder / guter gesunder Schulen
www.anschub.de: Anschub.de – Programm für die gute gesunde Schule e.V.
www.bug-nrw.de: Landesprogramm Bildung und Gesundheit NRW
www.bvpraevention.de

Literatur

Aggleton P, Dennison C & Warwick I (Eds.), Promoting health and well-being through schools. Oxford 2010;
Brägger G., Posse  N. & Israel G. (Hrsg), Bildung und Gesundheit. Argumente für eine gute und gesunde Schule, Bern Haupt;
Clift St. / Bruun Jensen B (Eds.), The Health Promoting School: International advances in theory, evaluation and practice, Copenhagen 2005;
Dür W, Gesundheitsförderung in der Schule. Empowerment als systemtheoretisches Konzept und seine empirische Umsetzung, Bern 2008;
Paulus P, Anschub.de – ein Programm zur Förderung der guten gesunden Schule. Münster 2009; Paulus P (Hg. ), Bildungsförderung durch Gesundheit. Weinheim 2010;
Paulus P / Michaelsen-Gärtner B,  Referenzrahmen schulischer Gesundheitsförderung. Gesundheitsqualität im Kontext der Schulqualität. Handreichung mit Indikatorenlisten und Toolbox, Bonn 2008
Wulfhorst B / Hurrelmann K (Hrsg.), Handbuch Gesundheitserziehung, Bern 2009
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