Ein Lotse für Eltern und Kinder
Das Bündnis Kinder- und Jugendgesundheit (BKJ) will die Gesundheits- und Entwicklungschancen für a l l e Kinder optimieren. In diesem Kontext nimmt das Bündnis auch die frühe institutionelle Betreuung und Entwicklungsanregung in den Blick und fordert deren quantitativen und qualitativen Ausbau, unter anderem durch eine Qualifizierungsoffensive für Fachkräfte der vorschulischen Betreuung und Bildung und durch die Schaffung multiprofessioneller Teams in der Betreuung. In den kommunalen Netzwerken fordert das Bündnis die Etablierung bzw. den Ausbau von Lotsenmodellen, um den Zugang zum gesundheitlichen Regelversorgungssystem und zu früher institutioneller Betreuung zu verbessern.
Im Gespräch mit dem Deutschen Kinderbulletin erläutert BKJ-Mitglied- Dr. med. Ulrike Horacek, die Aufgaben der Lotsen für die gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen.
Frau Dr. Horacek, warum brauchen Familien Lotsen, um eine Kinder-und Jugendarztpraxis oder eine Kita für ihr Kind zu finden?
Es geht darum, Kinder die bestmögliche Gesundheitsversorgung und Förderung ihrer Entwicklung zu ermöglichen. Viele benötigen dabei Unterstützung in ihrem unmittelbaren Lebenskontext, in ihrem Sozialraum. Der Zugang zu Praxen und zu Bildungs- und Betreuungsangeboten kann dadurch befördert werden, dass sich vor Ort jemand darum kümmert und die Eltern begleitet, um den Zugang sicherzustellen. Im „Dschungel“ vieler Systeme ist es für viele Eltern oft schwierig, sich zurechtzufinden.
Ein Lotse oder eine Lotsin kann dann sicherstellen, dass die Familien sich hier orientieren und bestehende Angebote auch nutzen können. Wir wissen, dass vor allem bildungsferne Eltern und ihre Kinder von dieser Art der aufsuchenden Hilfe profitieren. Sie kann dazu beitragen, ungleiche Lebens- und Bildungschancen von Kindern zu einem gewissen Grad zu kompensieren, damit wirkt sie auch als Armutsprävention.
Wie sieht denn die Arbeit einer Lotsin, eines Lotsen aus?
Lotsen können sogenannte Community Health Nurses, also speziell ausgebildete Pflegefachpersonen sein, die es in Ländern wie Kanada oder Finnland bereits seit langem und inzwischen auch in Deutschland vielerorts schon gibt. Community Health Nurses arbeiten in multiprofessionellen Teams, die sie miteinander verbinden, sie bieten Familien speziell auf die jeweiligen Bedürfnisse abgestimmte Versorgungsangebote und helfen ihnen bei der Bewältigung des Alltags. Sie sind also eine Art Kümmerer.
Welche Rolle spielt dann der niedergelassene Kinder- und Jugendarzt oder die -ärztin in diesem Netzwerk und was hat er oder sie von der Community Health Nurse?
Dadurch dass die Community Health Nurse die Familien aktiv begleitet, funktioniert der Kontakt zwischen Eltern, Kindern und Kinder- und Jugendarzt oder -ärztin besser. Und das ist positiv für die Kinder. Kinder- und Jugendärzte sehen oft frühzeitig soziale, körperliche oder auch psychische Fehlentwicklungen und können dann – wieder mit Hilfe der Community Health Nurse – gegensteuern. Ein einfaches Beispiel: in der Lockdown-Zeit haben viele Kinder durch Bewegungsmangel und ungünstige Ernährung Übergewicht entwickelt. Der Kinder- und Jugendarzt kann das objektiv diagnostizieren, allerdings kennt er oft den Sozialraum nicht gut genug, um Hilfen anzubieten außerhalb des Medizinbetriebs. Die Community Health Nurse bzw. die Lotsin oder der Lotse kennt aber die passenden Sportangebote und kann dem Kind helfen, einen passenden Verein zu finden.