Benachteiligte Kinder in Deutschland
Kinder und Jugendliche stehen bei politischen Entscheidungen überwiegend nicht im Fokus. Ihre Interessen und Bedürfnisse werden höchstens am Rande bedacht – oder gar nicht. Der Wirrwarr um den Umgang mit den Kindern und Jugendlichen im Laufe der Corona-Pandemie hat dies erneut deutlich bewiesen.
Besonders leiden unter dem politischen Desinteresse Kinder aus sozial schwachen und dabei zumeist bildungsfernen Familien, also etwa 20 Prozent aller Kinder eines Geburtsjahrganges. Diese Kinder haben in der Regel von Anfang an deutlich schlechtere Chancen auf eine gute Schul-, Ausbildungs- und Berufsperspektive als Kinder, die in einem besser situierten Umfeld aufwachsen. Untersuchungen zeigen, dass es in Familien des unteren sozialen Status (Einkommensarmut und Bildungsferne) häufig daran fehlt, auf die entwicklungsstimulierenden Bedürfnisse ihrer Kinder einzugehen. Da solche frühkindlichen Entwicklungsanregungen aber unabdingbar für eine altersgerechte Entwicklung sind, kommt es dazu, dass die betroffenen Kinder bereits zum Schuleintritt im Vergleich zu anderen Kindern keine ausreichende Entfaltung u.a. der Sprach- und kognitiven Entwicklung, des Sozialverhaltens und der allgemein intellektuellen Entwicklung haben. Wir sprechen von soziogenen Entwicklungsstörungen. Diese Entwicklungsstörungen beeinträchtigen nachhaltig das gesamte weitere Leben. Heute wissen wir, dass diese Entwicklungsstörungen dadurch verhindert werden könnten, wenn von frühester Kindheit an die mangelnde innerfamiliäre Entwicklungsanregung außerhalb der Familie - in entsprechenden Strukturen - kompensiert würde.
Seit Einführung der Einschuluntersuchungen und der Ergebnissortierung nach sozialer Schichtung hat sich in den letzten ca. 20 Jahren an der benachteiligenden Situation der Kinder aus Familien des unteren SES nichts geändert, sie zeigen konstant die gleichen schlechten Ergebnisse vor allem der kognitiven und sprachlichen Entwicklung. Offenbar ist das gegenwärtige Hilfe- und Unterstützungssystem – trotz ihres spürbaren Ausbaus in den vergangenen Jahren - nicht in der Lage, die betroffenen Kinder zu erreichen.
So besteht nach wie vor bei Schuleintritt eine tiefe Kluft zwischen Kindern, die gut gefördert werden, und denen, die weder familiär noch institutionell eine Chance auf eine angemessene Förderung hatten.
Die Benachteiligungsspirale setzt sich während der gesamten Schulzeit fort: Mit den aktuellen Lehr- und Lernsystemen gelingt es nicht, die benachteiligten Kinder in gleichem Maße zu höheren Schulabschlüssen und Ausbildungen zu führen wie gut geförderte Kinder. Die möglichen Folgen: Schulabbrüche (ca. 25% der betroffenen Kinder erlangt keinen Hauptschulabschluss), früh einsetzende Arbeitslosigkeit, Delinquenz, Abhängigkeit von Nikotin, Alkohol und andere Drogen.
Aufwändige Förder- und Reintegrationsprogramme mit teilweise jahrelanger Begleitung sind teuer und helfen nur selten. Wir müssen daher dringend umdenken.
Hierfür bedarf es innovativer Ansätze und neuer Strukturen.
Hierfür steht das Deutsche Kinderbulletin.